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Das Deep-Data-Fundament der Personalisierung

Von Susan Lahey

Zuletzt aktualisiert: 8. Dezember 2020

Datengestützte Personalisierung – das ist heute der Heilige Gral im Marketing. Eine Reihe von Studien, die hauptsächlich von Einzelhandelsorganisationen gesponsert wurden, belegt, dass 65 bis 95 Prozent der Kunden personalisierte Erlebnisse bevorzugen. Das sind nicht nur anspruchsvolle Kunden, die erwarten, dass sie mit einem Höchstmaß an Tempo und Komfort individuell betreut werden. Nein – es ist jeder Kunde, der Zeit damit vergeuden muss, durch Fluten irrelevanter Informationen und Anzeigen zu waten, bis er endlich findet, wonach er sucht.

Der Kunde stößt einen Seufzer der Erleichterung aus, wenn genau das, was er sich gewünscht hat, von einem Unternehmen, das er schätzt, vor seinen Augen auftaucht! Genau das ist das Ziel der Personalisierung.

In der Praxis sieht es heute leider oft anders aus: Verbraucher sehen ständig Anzeigen für Produkte, die sie bereits gekauft haben oder für die sie einen vernichtenden Review geschrieben haben oder die nur peripher mit etwas zu tun haben, woran sie irgendwann einmal flüchtig interessiert waren.

Um den magischen Moment – das richtige Produkt zur richtigen Zeit – zu schaffen, braucht man nicht nur Technologie wie Datensammlung und -analyse, sondern auch ein cleveres Marketingteam, das genau weiß, wie es mithilfe künstlicher Intelligenz aus einem Meer von Daten die wirklich relevanten Informationen herausfischen kann.

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Personalisierung oder Privatsphäre – ein Paradox

Wenn die Bereitstellung perfekter personalisierter Erlebnisse den magischen Moment ausmacht, ist der Prozess der Datensammlung, die diesen Moment ermöglicht, das notwendige Übel.

Der Kunde stößt einen Seufzer der Erleichterung aus, wenn genau das, was er sich gewünscht hat, von einem Unternehmen, das er schätzt, vor seinen Augen auftaucht!

Zwar ist uns bei der Vorstellung, dass jemand unser Verhalten überwacht und verfolgt, mulmig zumute. Aber personalisierte Angebote und Serviceleistungen wissen wir sehr wohl zu schätzen. Genau das ist das Paradox: Personalisierung und Privatsphäre. Studien haben ergeben, dass Kunden unbewusst eine mathematische Berechnung durchführen, um zu entscheiden, was ihnen im Moment wichtiger ist. Wenn die gesammelten Daten ein geringes Risiko darstellen und die daraus resultierende Personalisierung als wertvoll empfunden wird, sind die relativen Kosten der Privatsphäre gering.

Beispiel: Ein Kunde sucht nach Winterstiefeln. Ihm wird genau das Paar präsentiert, das er sich vorgestellt hat, und noch dazu zu einem unwiderstehlichen Preis. Zwar hat er ein bisschen Privatsphäre eingebüßt, aber er hat auch profitiert.

Wenn der Kunde aber Nachforschungen über ein sensibles Gesundheitsproblem anstellt, belegen Studien, dass das Risiko einer Einbuße der Privatsphäre nicht durch ein potenzielles tolles Sonderangebot aufgewogen wird.

Ein Beispiel für eine Verletzung der Privatsphäre kommt von der US-Großhandelskette Target, die versehentlich die ungewollte Schwangerschaft einer Jugendlichen deren Vater preisgab, als sie ihr „personalisierte“ Sonderangebote nach Hause schickte.

Der Wunsch nach personalisierten Erlebnissen bedeutet nicht, dass wir damit einverstanden sind, dass x-beliebige Personen beim Durchforsten des Internets in unserem Privatleben herumschnüffeln, um mehr über uns herauszufinden. Aber von irgendwoher müssen diese Daten ja kommen. Unternehmen müssen also unter allen Umständen dafür sorgen, dass die Personalisierung den potenziellen Verlust der Privatsphäre wert macht.

Um den magischen Moment – das richtige Produkt zur richtigen Zeit – zu schaffen, braucht man nicht nur Technologie wie Datensammlung und -analyse, sondern auch ein cleveres Marketingteam, das genau weiß, wie es mithilfe künstlicher Intelligenz aus einem Meer von Daten die wirklich relevanten Informationen herausfischen kann.

Den meisten Kunden ist klar, dass mit Cookies ihre Aktivitäten verfolgt werden. Sie wissen, dass ihre Daten überall erfasst werden, und das vermittelt den Eindruck, als würden sie von Unternehmen in den eigenen vier Wänden bespitzelt. Im Fall von Alexa mag das stimmen, aber in der Regel sorgen Firmen auf andere Weise für personalisierte Erlebnisse.

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Aufgeschlüsselt: Personalisierung für Laien

So funktioniert es in Wirklichkeit: Kunden, die eine bestimmte Website besuchen, erklären sich damit einverstanden, dass Cookies auf ihrem Computer gespeichert werden. Hierbei handelt es sich um Code, mit dem genau verfolgt wird, was der Kunde auf der Website tut. Cookies können Kundeninformationen speichern wie Kennwort, Kreditkartennummer, Transaktionsverlauf, Suchverlauf usw. Das hilft dem Unternehmen, die Präferenzen des Kunden zu berücksichtigen, wenn er die Website besucht. Die vom Unternehmen erfassten Kundendaten werden als „First-Party-Daten“ bezeichnet. Unternehmen dürfen sie nutzen, um in ihrer CRM-Software mehr Kontext bereitzustellen.

Wenn Kunden bei der Cookie-Richtlinie jedoch auf „Einverstanden“ klicken, ist ihnen nicht unbedingt klar, dass sie dem Unternehmen soeben die Genehmigung gegeben haben, ihre Informationen mit seinen Partnern zu teilen. Zwar steht das in der Cookie-Richtlinie, aber die wenigsten machen sich die Mühe, sie genau zu lesen. Das „First-Party“-Unternehmen teilt keine privaten Informationen wie Kennwörter. Es gibt jedoch Informationen wie Such- und Transaktionsverlauf weiter, die anderen Unternehmen helfen, dem Kunden ihre eigenen Produkte schmackhaft zu machen. Partnerunternehmen nutzen diese Daten, um Kunden gezielte Werbeanzeigen zu präsentieren. Diese nennt man „Second-Party-Daten“. Sie können auf einer Datenplattform gespeichert werden, die First- und Second-Party-Daten kombiniert, um für ein vollständigeres Bild des Kunden zu sorgen. Mit anderen Worten: Personalisierung kann nur dann wirksam sein, wenn es genug Daten gibt, die genutzt werden können.

In den von Unternehmen geteilten Daten werden Kunden nicht als Einzelpersonen identifiziert, sondern in Kategorien eingeteilt, um eine Vermarktung durch Partnerunternehmen zu ermöglichen. Angenommen, ein Kunde bucht einen Ökourlaub mit Green Tours. Die Partner von Green Tours identifizieren den Kunden als „Ökourlaub-Fan“ oder „Fan von nachhaltigem Reisen“. Als Nächstes wird Marketing-Automatisierungssoftware eingerichtet, die Kunden, die in diese Kategorie passen, konkrete Werbeanzeigen schickt. Der Kunde, der den Urlaub gebucht hat, wird auf einmal feststellen, dass er laufend Anzeigen für Reiserucksäcke von einem Unternehmen namens Outside Gear erhält. Außerdem werden ihm Anzeigen für Regenhäute, Reiseversicherung und Aufenthalte in einem Öko-Hotel eines anderen Anbieters präsentiert. Die von den einzelnen Unternehmen genutzte künstliche Intelligenz sammelt und analysiert Daten aus bisherigen Transaktionen anderer Kunden sowie Daten, die von Green Tours geteilt werden, um zu prognostizieren, welche Angebote am relevantesten sind.

INTERAKTIONEN PERSONALISIEREN

Vorsicht bei der Partnerwahl

Man darf davon ausgehen, dass Green Tours bei der Wahl seiner Partner eine gewisse Vorsicht walten lässt. Dass das Unternehmen mit einem Käsehersteller oder einer High-End-Modemarke eine Partnerschaft eingeht, ist weniger wahrscheinlich. Während die präsentierten Werbeangebote also nicht konkret angefordert werden, sind sie trotzdem in gewisser Weise an den persönlichen Vorlieben des Kunden von Green Tours ausgerichtet. Kauft der Kunden dann in der Tat einen Rucksack bei Outside Gear, ist es dann dieses Unternehmen, das wiederum die Kundendaten erfasst und mit seinen eigenen Partnern teilt.

Jeder einzelne Kauf liefert Unmengen von Daten zu Kaufgewohnheiten. Unternehmen können ihre eigenen Daten darüber hinaus mit Drittanbieterdaten anderer Unternehmen anreichern, die bereit sind, sie zu verkaufen. Diese Datenanbieter nutzen zahlreiche Quellen, nicht zuletzt Social Media, um mehr über den Kunden herauszufinden: Alter, Familienstand, Beruf, politische Zugehörigkeit, Art der Wohnung, Fortbewegungsmittel, Neigung zu ehrenamtlichen Tätigkeiten, Lebensmittelpräferenzen, mögliche Gesundheitsprobleme (identifiziert anhand rezeptfreier Einkäufe) und so einiges mehr.

Mit anderen Worten: Personalisierung kann nur dann wirksam sein, wenn es genug Daten gibt, die genutzt werden können.

Outside Gear kauft möglicherweise Kundendaten von Dritten, aber diese Daten werden als Aggregat von Informationen geliefert, die bei der Segmentierung helfen. Beispiel: „30 % der Käufer von Rucksäcken der oberen Preisklasse sind zwischen 35 und 50 Jahre alt.“ Das Aggregat enthält keine Daten, mit denen sich eine Person konkret identifizieren lässt.

Eine Umfrage von Forbes Insights und Arm Treasure Data ergab, dass die von Unternehmen am häufigsten zur Datenerfassung genutzten Kanäle mobile Apps und E-Mail sind, wobei E-Mail für Unternehmen als weniger wertvoll gilt. Die hochwertigsten Kanäle sind Kundentreueprogramme und mobile Apps. Stellen Sie sich jetzt vor, dass diese Daten jeden Tag, zu jeder Transaktion und über Jahre hinaus erfasst und geteilt werden. Mit einem Mal wird Ihnen klar, womit Sie es hier zu tun haben.

Die Rolle von Analysten

Nun ist es aber so, dass einige dieser Informationen hilfreich sind und andere eher nicht. Analysten werden gebraucht, um herauszufinden, welche Daten bei der Schaffung personalisierter Erlebnisse wertvoll sind.

In der Vergangenheit wurden Kunden nach Alter, Geschlecht, Standort, Einkommen und anderen Faktoren segmentiert. Doch eine Studie der MarketingWeek belegte, dass mit besserer Technologie erfasste Verhaltensdaten weitaus hilfreicher sind, um die Art von personalisierten Erlebnissen zu schaffen, die den Umsatz steigern. Die Befragten gaben an, dass Verhalten, Ort, persönliche Interessen, Lebensphase und Einstellung einige der wichtigsten Formen der Segmentierung seien. Der französische Lebensmittelkonzern Danone segmentierte seine Kunden nach bestimmten Vorlieben in „Stämme“ und konnte damit einen 40-prozentigen Anstieg der Markenbekanntheit erreichen, hieß es in dem Artikel.

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Jean-Marc Bellaiche, Chief Strategy Officer bei der Experience-Analytikplattform Contentsquare findet, Unternehmen brauchen genau dieses Maß an Einzigartigkeit, um ihre Kundensegmente besser zu verstehen: „Die Unternehmen, die in dieser neuen Ära gedeihen, haben verstanden, dass es bei der Bereitstellung einer optimalen Customer Experience weder echte Best Practices noch vorgestanzte Lösungen gibt“, sagt er.

Die Befragten gaben an, dass Verhalten, Ort, persönliche Interessen, Lebensphase und Einstellung einige der wichtigsten Formen der Segmentierung seien.

Der Gartner-Bericht The Essential Guide to Marketing Personalization beschreibt, wie Clorox Daten zu spezifischen Marketingsegmenten für seine Haustierreinigungsprodukte gesammelt hat. Dazu gehören das Alter des Kunden, Anzahl der Haustiere, Adresse, Art der Wohnung, Fortbewegungsmittel, Häufigkeit der Einkaufsfahrten und einige andere Aspekte. Damit wollte das Unternehmen seine hohen Ausgaben in Massenpersonalisierung eindämmen. Die Analysten von Chlorox machten sich daran, die Daten aufzuschlüsseln. Ihrer Meinung nach war eine genaue Metrik einer der wichtigsten Faktoren, und man entschied sich, nur Daten aus den akkuratesten Quellen zu nutzen. Damit fielen bestimmte Datenpunkte weg, etwa ob der Kunde in einer Wohnung oder einem Haus lebte oder was sein bevorzugtes Fortbewegungsmittel war. Das Team prüfte dann weitere Kriterien wie die Reichweite, mit anderen Worten, welche Dimensionen berücksichtigt werden sollten, um die größte Zielgruppe anzusprechen. Jedes Kriterium reduzierte die Anzahl der Datenpunkte, die in die Personalisierungsbemühungen einflossen. Das Ergebnis waren signifikante Einsparungen bei den Marketingausgaben und eine fünfprozentige Umsatzsteigerung innerhalb eines Jahres.

Bessere Erlebnisse, mehr Umsatz

„Unsere Kunden haben die unterschiedlichsten Identitäten und erzeugen immer größere Datenmengen – innerhalb unseres Unternehmens wie auch außerhalb“, sagte der Zendesk-CEO Mikkel Svane in einem Blog-Post. „Darüber hinaus zwingen uns Legacy-CRM-Plattformen proprietäre Technologien auf. Es ist schwierig, teuer und praktisch unmöglich, die zahlreichen unterschiedlichen Dimensionen von Kunden und ihren Daten genau zu verstehen. Aber gerade diese Rundumsicht ist erforderlich, um sinnvolle Verbesserungen an der Customer Experience vorzunehmen.“

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Alles dreht sich im Moment um Personalisierung. Es werden immer mehr Technologien entwickelt, die die Identifizierung von Kundenpräferenzen noch leichter machen sollen. So gibt es zum Beispiel eine Bewegung hin zu einer offenen, flexiblen CRM, die es Unternehmen gestattet, Kundendaten miteinander zu verbinden, wo immer sie gespeichert sind, um ihre Nutzung im gesamten Unternehmen zu ermöglichen.

Diese Technologien dürften auch die von Kunden geforderte Privatsphäre mehr und mehr berücksichtigen. Die meisten Unternehmen fangen gerade erst damit an, aber die Grundvoraussetzung ist Zugriff auf Technologie, die eine effektive Sammlung und Nutzung von Daten ermöglicht.

Das Ergebnis ist die Fähigkeit, Kunden ganz persönliche magische Momente zu bieten. Aber magische Momente bestehen aus Daten.

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